Was unser Denken und Handeln wirklich bestimmt
Wenn wir Menschen nach ihren Entscheidungs- und Urteilsfindungen fragen, so antworten sie immer gleich: Ja, manchmal es gibt da ein Bauchgefühl. Aber die letztendliche Findung verläuft nach logischen Kriterien und vorliegenden Fakten.
Was für ein Irrtum!
Weder noch ist präzise genug ausgedrückt, um zu erfassen, wie es wirklich abläuft.
Dazu ein kleiner Blick in unser Gehirn, was da eigentlich wirklich vor sich geht.
Das wird in erster Linie durch zwei Systeme bestimmt: System 1 und System 2 (Kahneman, 2011).
Beide kommen unterschiedlich zum Einsatz und sind zwei völlig verschiedene Arten zu denken.
System 1 ist ein extrem leichtes Denken. Es ist emotional und unbewusst geleitet und für das Überleben wichtig, weil es schnell reagiert. Es funktioniert insgesamt schnell und automatisch, ist sehr instinktiv, immer aktiv und stereotypisierend.
Erst beim angestrengten Nachdenken kommt System 2 ins Spiel. Das ist für schwierige Denkaufgaben und kostet dem Körper enorm viel Kraft und Energie. Das System ist selten aktiv, rein logisch und langsam. Es ist voll bewusst und berechnend.
In zahlreichen Veröffentlichen aus der Verhaltensökonomie finden Sie Experimente, die Sie stutzig machen sollten.
Ein völlig banales Experiment in einem Büro stellt folgende Situation dar: In einem Büro wurde über die Kaffeekasse abwechseln je ein Bild aufgehängt. Eines mit einer Blume und eines mit einem Augenpaar.
An den Tagen, an denen das Augenpaar zu sehen war, war die Kaffeekasse deutlich mehr gefüllt.
Was ist da passiert, was das Handeln so beeinflusst hat?
Die Mitarbeiter haben sich auf einer unbewussten Ebene “beobachtet” gefühlt und sich damit selbst genötigt, für ihren Kaffee auch (mehr) zu zahlen. Mit einer rationalen Entscheidung hatte das überhaupt nichts zu tun.
Dieses Experiment zeigt dabei etwas Spannendes:
Wir sind offenbar nicht rational, aber auf unseren Bauch können wir uns wohl auch nicht richtig verlassen. Worauf soll man sich da verlassen, wenn die Systeme immer wieder zwischeneinender hin- und her springen?
Reine Übungssache. Sich beim Denken beobachten, es innerlich in die beiden Systeme einsortieren und öfter mal über Bauchentscheidungen intensiv nachdenken: Gehen tut das schon. Wenn auch etwas müßig, denn wir haben Faulheit in unserer Genetik stehen.
Was man immer wieder sieht: Die beiden Systemen kommen sehr oft zu unterschiedlichen Rückschlüssen. Hinzu kommt, dass System schnell am Limit ist, weil es einfach erschöpfend ist.
Und manches ist auch so schön einfach.
Wenn die beiden Systeme im Konflikt sind, kann es schon mal anstrengend werden.
Lesen Sie die linke Spalte laut vor. Allerdings: Nicht das Wort sondern nennen Sie die Farbe. Das Gleiche machen Sie im Anschluss mit der rechten Spalte.
Spannend, dass es Ihnen links leicht fiel und Sie bei der rechten Spalte ins Stolpern kamen, oder? Bei der rechten haben beides Systeme miteinander gerungen – das haben Sie gemerkt.
Und so gibt es psychologische Phänomene, die man Economical Behavior nennt. Wir erläutern Sie hier anhand von Beispielen der Verkäufer- Käufer-Perspektive:
Assoziieren und Priming
Zwei berühmte Beispiele, die für die Wirkung von System 1 stehen, sind das Assoziieren und das Priming.
Beim Assoziieren verwandelt das System unabhängige Dinge in einen für sich stimmigen Zusammenhang.
Das ist oftmals banal.
Sie lesen zwei Wörter, wie Haargummi und Fischgestank nebeneinander.
Das System 1 sorgt sofort dafür, dass diese beiden Wörter einen Zusammenhang bekommen und somit das Haargummi eine Abneigung hervorruft.
In einem Online- Shop kann das zum Beispiel eine giftgrüne Farbe sein, die die Glaubwürdigkeit der dort angebotenen Babyflaschen beeinträchtigt.
Beim Priming wird das Ganze noch auf die Spitze getrieben.
Vor dem Supermarkt stehen zwei Menschen mit einem Stand und befragen Sie, zu Ihrer Meinung über das Kindersterben in der dritten Welt. Sie werden um Ihre Zustimmung gebeten, dass es hier Wasserversorgung und weniger Ausbeutung durch uns braucht.
Als Sie endlich in den Supermarkt gehen, um Ihre Einkäufe zu erledigen, entscheiden Sie sich für den Bio-Kaffee, der Ihnen sofort ins Auge sticht.
Zufall? Nein. Die beiden Menschen, die Sie zuvor befragt haben, haben Sie bereits auf Nachhaltigkeit geprimed. Die Entscheidung für den Bio-Kaffee ist schon vor Betreten des Marktes für Sie getroffen worden.
Und zwar in der Sekunde, in dem es so für Sie inszeniert wurde.
Kognitive Leichtigkeit
Ein wesentliches Element, was den Kaufentscheid beeinflusst, ist die kognitive Leichtigkeit. Wenn der Prozess für den Kunden leicht ist, dann assoziiert er damit für sich, dass alles in Ordnung ist und hier Vertrauen angesagt ist.
Für Sie als Unternehmer bedeutet das: Welche Dinge erleichtern meinem Kunden den Entscheidungsprozess?
Hier kommen beispielsweise schnelle Ladenseite der Website, Schriftgröße und auch Textgestaltung ins Spiel. Wenn Sie Aufmerksamkeit und Fokus kognitiv leicht gestalten möchten, so können Sie alleine schon durch fette Schrift für einzelne Wörter leicht Zugang erzeugen.
Der Halo-Effekt
Bei diesem Phänomen schliessen wir von bekannten Eigenschaften direkt auf unbekannte. Das nennt man kognitive Verzerrung. Wenn Sie jemanden mögen, dann kann es Ihnen also passieren, dass Sie ihm Eigenschaften zuordnen, die Sie gar nicht einschätzen können. Sie mögen vielleicht grundsätzlich Menschen, die tierlieb sind. Nun mögen Sie diesen Menschen, ohne etwas über seine Tierliebe zu wissen. Sie unterstellen es ihm automatisch.
Wenn Ihre Website aussieht, wie eine selbstgebaute Rumpelkammer, dann kann der Kunde daraufhin für sich davon überzeugt sein, dass Ihre Produkte Ramsch sind. Sie könnten Apple-Produkte anbieten – er würde sie für geklaut oder gefälscht einstufen.
Hier noch weitere Phänomene der voreiligen Schlussfolgerungen:
Überschätzung
Das Gehirn braucht keine vollständigen Informationen, um etwas als gut einzustufen. Tatsächlich spielt noch nicht mal die Qualität der Information eine große Rolle. Sondern vielmehr die Geschichte dazu, über das, was wir da sehen. Das ist für uns Überzeugung. Meist fällt uns gar nicht auf, dass wesentliche Informationen fehlen, um ein gutes Urteil fällen zu können.
Stichwort Storytelling. Stimmt die Geschichte, nimmt sie uns mit, dann haben wir Vertrauen in das Produkt und das Unternehmen.
Framing-Effekte
Überprüfen Sie den Effekt direkt wieder selbst: Welche Information wirkt sich positiv, und welche negativ auf Sie aus, wenn Sie sich beispielsweise für oder gegen eine Operation entscheiden müssten:
- 15% der Patienten sterben nach dieser OP durch ein Lungenödem.
- 85% der Patienten sind nach der OP vollständig geheilt.
Beides ist wahr. Je nach Formulierung wird Ihre Entscheidung allerdings geführt.
Beim Framing geht es immer darum, welche Informationen weggelassen werden.
Nun zu einem weiteren Phänomen, was dabei hilft, Herausforderungen mit dem Kunden zu meistern:
Heuristiken
Heuristiken sind Problemlösungen, die herangezogen werden, bei fehlenden Informationen. Übertragen heißt das: Es handelt sich um automatische Regeln, die wir anwenden, um möglichst schnell und einfach zu einer Entscheidung zu kommen.
Dabei sind drei Heuristiken besonders hervorzuheben:
Experte: Wir verlassen uns auf Meinungen eines (vermeintlichen) Experten.
Sympathie: Menschen, die wir sympathisch finden, trauen wir mehr Wissen zu, als denen, die uns unsympathisch sind.
Masse: Wir vertrauen auf die Meinung der Mehrheit – viele zusammen können nicht irren.
Fazit
Wir treffen unsere Entscheidungen nicht rational, mit dem System 2. Einfach, weil es anstrengend ist und wir genetisch auf Faulheit getrimmt sind.
Economical Behavior sind psychologische Phänomene, die uns in unserer Entscheidung beeinflussen.
Für den Umgang mit Kunden ist es clever den Verkaufsprozess so zu gestalten, dass System 1 schnell und selbsterklärend zu einer Lösung kommt. Economical Behavior können da als Kaufbeschleuniger eingesetzt werden. Diese baut man allerdings nicht irgendwo wahllos ein, sondern bindet sie in ein sauberen Prozess ein.
Mehr zu Behavior Strategy lesen Sie hier.
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